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Beate Ebert

Die Beschneiderinnen legen ihre Messer nieder

Aktualisiert: 21. Dez. 2021

Alba (unsere neu gewählte 2. Vorsitzende) und ich sind von unserer gemeinsamen Reise nach Sierra Leone zurück in Deutschland. Für mich war es die elfte, für Alba die erste Reise. Gerade die erste Reise ist etwas ganz Besonderes. Ich habe Alba gefragt, wie es für sie war.

Ihre Antwort: „Es ist eine Mischung zwischen schönen und schwierigen Gefühlen. Jeder Tag in Sierra Leone war ein Abenteuer voller Emotionen, die ich jetzt erst einmal verarbeiten muss. Dieses Land ist äußerlich eine ganz andere Welt, innerlich sind unsere Gefühle als Menschen aber sehr ähnlich. Nur haben die Menschen in Sierra Leone viel weniger Ressourcen, um mit schwierigen Situationen umzugehen. Es ist nicht allein die Armut, es sind auch kulturelle Unterschiede. So haben Stammesdialekte in Sierra Leone kaum Worte für Gefühle. Das macht es den Menschen schwer, Gefühle zu benennen, einzuordnen und damit umzugehen. Seit ich wieder zu Hause bin fällt mir auf, wie sicher wir und unsere Kinder hier sind und wieviel unsicherer der Alltag in Sierra Leone ist. Fast jeden Tag gibt es existenzbedrohende Probleme für die Menschen dort. Die Kluft zu unseren vollen Geschäften und zu all den Dingen, die wir haben und gar nicht benutzen, ist riesig und macht mir zu schaffen.“

Alba war eine tolle Reisegefährtin, die schnell Kontakt gefunden hat, z.B. durch ihr spanisch-feuriges Tanzen, das die Menschen dort bejubelt haben. Sie hat Interviews vorbereitet, die ihr euch bald anhören könnt: mit Mädchen aus dem Girls Shelter und ihren Eltern, mit Paaren aus unserem DARE to Connect Projekt und sogar mit Beschneiderinnen aus dem Projekt gegen weibliche Genitalverstümmelung.


Den eindrücklichsten Moment erlebten wir in der Stadt Bumbuna. Wir wurden von fast 150 Menschen in farbenfrohen traditionellen Gewändern empfangen, mit Trommeln und Tänzen.

„Thank you for bringing peace to our couples in Bumbuna, thank you for protecting our girls!“ stand auf Transparenten.


Allen voran tanzten uns die Beschneiderinnen entgegen. Als sie uns erreichten, legten sie ihre Messer vor unsere Füße. Diesen Moment werden wir nie vergessen!


Mit dieser zeremoniellen Geste zeigten die Beschneiderinnen (Sowei-Frauen genannt), dass sie keine Beschneidungen mehr vornehmen und ihr Amt nicht mehr weitergeben werden. Dies erklärte uns die Distrikt-Vorsitzende später im Interview. Ihre eigene Tochter habe sie vor einigen Monaten darum gebeten, im Projekt „My body my right“ teilnehmen zu dürfen und sie habe zugestimmt. Zusammen mit anderen Eltern konnte sie an Schulungen teilnehmen, in denen u.a. Informationen über die verheerenden physischen und emotionalen Folgen der Beschneidung vermittelt wurden. Ihr sei klar geworden, dass sie dies ihrer Tochter und anderen Mädchen nicht mehr antun wolle. Sie wolle auch andere Beschneiderinnen im Distrikt überzeugen, Mädchen unversehrt zu lassen.

Im Gegensatz dazu soll die traditionelle Initiation zur Frau mit Überlieferung des Wissens, wie man sich um Kinder und die Familie kümmert, weitergeführt werden. Ziel ist es, ohne Beschneidung die körperliche und psychische Gesundheit der Mädchen zu sichern.



Es ist unfaßbar, dass dieses Tabu durch die großartige Arbeit der Sozialarbeiter*innen von CAF-SL (Commit and Act Foundation Sierra Leone) gebrochen werden konnte und dass die Frauen ihre Kultur aus sich selber heraus verändern. Immer noch sind ca. 90% der Frauen in Sierra Leone beschnitten. Sogar die Frau des amtierenden Präsidenten, die sich gegen sexuelle Gewalt an Mädchen engagiert, sagte vor ca. 2 Jahren in einem Fernsehinterview: „Was soll ich zur Praxis der Beschneidung sagen? Es gehört zu unserer Kultur, ich bin selbst beschnitten.“


Wichtig ist uns, dass diese Veränderungen nachhaltig sein werden. Wir nehmen eine klare Haltung gegen Gewalt ein. Wir geben den Menschen jedoch keine Vorgaben, was sie tun oder lassen sollen. Die Beschneiderinnen haben ihren Beschluß aus sich heraus gefasst, nachdem sie wichtige Informationen erhalten und an einem von Sozialarbeiterinnen begleiteten Prosocial-Prozess teilgenommen hatten. Hierbei konnten sie sich ihre Werte bewusst machen und Wege erarbeiten, wie sie diese Werte umsetzen können. Ihr wichtigstes Anliegen ist ihnen, ihren Töchtern ein gutes Leben zu ermöglichen und sie zu beschützen.


Auch wenn es für uns unfassbar klingt: mit der Beschneidung wurden die Mädchen in die Gemeinschaft der Frauen eingeführt. Sie waren damit heiratsfähig. Ihre Existenz war gesichert. Die Alternative ermöglicht das Projekt gegen weibliche Genitalverstümmelung den Mädchen Schulbildung, so dass sie sich später selbst ernähren können und eine Heirat im Erwachsenenalter selbstbestimmt erfolgen kann. Mädchen mit Bildung werden in Sierra Leone dringend als Ärztinnen, Juristinnen, Geschäftsfrauen etc. für eine bessere Zukunft gebraucht.

Weiterhin gibt es eine Business-Schulungen für die Eltern, so dass sie ihrer Familie ernähren und die Kinder auf die Schule schicken können. Die Mädchen werden regelmäßig ärztlich auf ihre Unversehrtheit untersucht.



Es ist ein durchdachtes, wirkungsvolles Programm, das maßgeblich durch die German Doctors, sowie durch One Day und commit and act in Aschaffenburg finanziert wird.



Möchtest du dieses Projekt unterstützen?

Wir laden euch ein, das Programm „My body, my right“ gegen Beschneidung mit einem (Weihnachts-)Geschenk zu unterstützen.

Im Shop von One Day (Rossmarkt 10, Aschaffenburg) könnt ihr eine Geschenkekarte für 50€ kaufen mit der ein Mädchen für einen Monat unversehrt bleibt und das Projekt in Schulen und Dörfern verbreitet wird. Ihr könnt natürlich auch direkt auf unser Konto speziell für das Projekt „my body my right“ überweisen: Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg, commit and act e. V. IBAN: DE59 7956 2514 0007 2270 51


Wir danken euch jetzt schon von Herzen!

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